Zentrum für Persönlichkeitsentwicklung in Münster

Presse

Erfahrungsbericht

Stadtbuch Münster 1. Auflage Dz. 1980

Michael erzählte neulich, dass er seit einiger Zeit auch in Therapie sei. Seine Erfahrungen scheinen anders zu sein als meine. Will" mal versuchen, klarzukriegen, was er eigentlich erzählt hat.

Aufgefallen ist mir, dass er zu seinem Therapeuten eine intensive Beziehung aufgebaut hat. Es klang nicht so, als sei ihm jemand gegenüber gesessen der ihm eine Störung benannt hat und auch nicht jemand, der nur zurückspiegelte, was Michael sagte, sondern ein wacher Mensch, der ihn als Menschen annahm. Michael und der Therapeut haben sich miteinander auf einen Entwicklungsprozess eingelassen, und dabei entdeckt Michael in sich mit der Zeit vieles, was ihm vorher unbekannt war. Er merkt, wie eng die Grenzen sind in denen er sich trotz fortschrittlicher Ideen im Kopf bewegt - und tut andere Dinge, als er schon immer getan hat. Dabei ändert sich die Beziehung, die er zu seinem Therapeuten hat; am Anfang stand er ihm ziemlich kritisch gegenüber, eine Zeitlang hat er ihn fast zum Idol gemacht und sich sehr abhängig von ihm gefühlt, und in der letzten Zeit mag er vieles an ihm, anders nicht. Gut für Michael war wohl, dass er seine Gefühle gegenüber dem Therapeuten in der Therapie zu äußern lernte.

Das ursprüngliche Symptom, das Michael in die Therapie gebracht hatte (er hatte viel Kopfschmerzen und Schwierigkeiten in seinen Beziehungen zu Frauen), hat für ihn an Bedeutung verloren; es macht sich bemerkbar, worum sich ein großer Teil seines Lebens dreht.

Nach einigen Einzelsitzungen hat der Therapeut Michael in eine Therapiegruppe genommen, die über einen längeren Zeitraum ( 1 Jahr) zusammenbleibt. Anfangs hat die Gruppe Michael Angst gemacht; er dachte, er könne fremden Leuten nicht zeigen, wie er ist und sagen, was er denkt. Außerdem waren ihm einige Leute in der Gruppe sehr unsympathisch. Den anderen Gruppenmitgliedern ging`s ähnlich. Sie haben dann die Erfahrung gemacht, dass, wenn jemand den Mut hatte, sich zu zeigen, die anderen ihn annahmen und ihm Aufmerksamkeit und Wärme gaben. Michael hat vieles über sich gelernt; z.B. hat er die Erfahrung gemacht, dass er andere Menschen häufig nur als Vertreter von Eigenschaften wahrnimmt, die er an sich selbst mag oder nicht mag.

Die Gruppe ist für Michael nicht das reine Zuckerschlecken. Es ist ihm oft schwergefallen, sich zu öffnen, vieles hat ihm weh getan, und zwischendurch verlor er alle Orientierung und war ganz verwirrt und schwindelig. Dass es anderen in der Gruppe ähnlich ging und die Gelassenheit und Zuversicht des Therapeuten haben ihm geholfen, weiterzumachen. Jetzt ist er froh, dass er nicht ausgestiegen ist. Ich merke, dass ich mich nicht mehr genauer an Michaels Bericht erinnere. Ich erlebe ihn in der letzten Zeit viel lebendiger, manchmal beunruhigend neu, gefühlvoller und weniger durch das bestimmt, was in seinem Kopf ist; weniger als "Typ". Die ewigen, nervigen Wiederholungen in unseren Auseinandersetzungen und das Gefühl, miteinander festgefahren zu sein, werden weniger.

Mir ist klar geworden, dass Michaels Therapie nicht nur die Beseitigung von Störungen zum Ziel hat, sondern, dass er sich auf einen langwierigen Wachstumsprozess eingelassen hat. und dass ich für mein eigenes Wachstum selbst verantwortlich bin.

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